Stollentruhe
Westfalen, um 1500
Eichenholz mit Bildhauerarbeit und Eisenbeschlag
Höhe: 106 cm
Breite: 203 cm
Tiefe: 73 cm Inv. Nr.: 1995
Die große Truhe steht auf vier breiten Stollen. Plastisch geschnitzte, arkadenförmige Bildfelder schmücken die Stollenfüße; Die heraldisch schönen Reliefs sind kraftvoll, ausdrucksstark und von großer Plastizität.
Eine weitere Besonderheit dieser Truhe ist der ungewöhnlich reiche, in strenger Ordnung ausgeführte Bandbeschlag. Außerordentlich dicht und parallel angeordnete Eisenbänder, mit den sich einander berührenden schmalblättrigen, fein gestalteten Lilien, prägen das eindrucksvolle Erscheinungsbild dieses seltenen Möbels. In regelmäßigen Abständen sind Eisennägel in die Lilienbänder eingelassen, deren Köpfe die Bänder ornamental gestalten.
Der Beschlag wurde vornehmlich nicht nach funktionalen Erfordernissen konstruiert, sondern diente der Dekoration und war vor allem Statussymbol. Denn Eisen war in der Epoche der Spätgotik ein sehr kostbares Material. Das Prunkmöbel sollte den herausgehobenen Status seines Besitzers hervorheben. Derartige Stollentruhen wurden von hochgestellten Persönlichkeiten des Adels, des Klerus und des Stadtpatriziats in Auftrag gegeben.
Ein Großteil der reich mit Eisen beschlagenen mittelalterlichen ‚Mehrschlössertruhen’ sind Truhen mit Sonderfunktionen, die zumeist in Kirchen, Klöstern und Rathäusern aufgestellt waren. Sie dienten als Tresor für bedeutsame Dokumente, Geld und Kostbarkeiten.
Von den fünfundzwanzig Bändern des sehr schweren Deckels sind fünf zugleich Scharnierbänder, die auf der Rückseite bis unter den Truhenboden geführt sind; das mittlere ist zudem auch Überwurfband für das zentral eingelassene, aufwendig gestaltete und funktionsfähige ‚Schmetterlingsschloß’. Zusammen mit den beiden seitlichen Schließösen und den zugehörigen Fallringen der Deckelkante für Vorhangschlösser, hat diese Truhe drei Verschlussmöglichkeiten.
Aufwendig gearbeitete Truhen mit dichtem Bandbeschlag und geschnitztem Stollendekor waren absolute Luxusmöbel von besonderer Seltenheit. Die Kombination von bildnerischer Schnitzarbeit und üppigem, fein geschmiedetem Eisenwerk sind Kennzeichen der qualitätvollsten Stücke. Aufgrund der großen Wertschätzung wurden sie bereits im 19. Jahrhundert zu gesuchten Objekten musealer Sammellust. Nur wenige Vergleichsstücke haben sich von diesem prächtigen Truhentypus in Privatsammlungen erhalten, höchst selten treten sie ans Tageslicht.