Paar Dreiarmige Silber Girandolen

Johann Alois Seethaler (1775-1835)

Augsburg, 1806

Beschauzeichen im Oval: Pyr für Augsburg und Jahresbuchstabe Q für das Jahr 1805-1806 Meisterzeichen: Monogramm ‚INS’ für Johann Alois (alias Johann Nepomuk) Seethaler

Höhe: 630 mm
Durchmesser: 350 mm
Gewicht je Leuchter: 2250 gr Inv. Nr.: 2042

Provenienz: Max I. Joseph, König von Bayern

Der Typus dieser fein gearbeiteten Girandolleuchter ist vom französischen style Empire beeinflusst und erinnert sowohl an die Stichwerke von Charles Percier & Fontaine als auch an Arbeiten von führenden französischen Goldschmieden der Zeit, wie zum Beispiel Jean Baptiste Claude Odiot und Martin Guilllaume Biennais.

Der Leuchter ist als antiker Dreifuß (Athénienne) entworfen; ein Vasenkörper wird von drei schlanken Beinen getragen, die in Tatzenfüßen enden und auf einer triangelförmigen Plinthe stehen; an einem zentralen Stab windet sich eine fein ziselierte Schlange empor. Den oberen Abschluss der Beine bilden drei vollplastische Löwenköpfe, die in ihrem Maul jeweils einen Ring mit zwei Ketten halten. Aus der Vasenöffnung mit Akkanthusblattdekor steigen drei elegante Leuchterarme empor, den Abschluss zwischen den Leuchterarmen bildet eine Fackel.

Die Leuchter tragen das BZ mit dem Jahresbuchstaben Q, das in der Forschung bisher ausschließlich dem Jahr 1805 zugeordnet wurde. Aus dem Jahr 1806 sind bislang keine gesicherten Arbeiten bekannt, auch konnte das BZ mit dem Jahresbuchstaben R, vermeintlich für das 1806, an keiner Arbeit nachgewiesen werden. Da der Auftrag für das ‚Silber-Service’ zum dem dieses Girandolen Paar gehört, 1806 erteilt worden ist, gehen wir davon aus, dass auch diese Goldschmiedearbeit in dem Jahr entstanden ist. Folglich wurde das BZ mit dem Jahresbuchstaben Q, nicht nur 1805, sondern auch noch im Folgejahr 1806 benutzt. Dieser Umstand wäre nicht ungewöhnlich, denn seit 1735 wurde jedes Jahr ein neuer Geschaumeister mit zweijähriger Amtsdauer gewählt und er nimmt, jeweils einen neuen Stempel in Gebrauch. Dadurch tritt mit jedem Jahr ein neues BZ in Kraft, und zwar das des neugewählten Geschaumeisters, während das vorhergehende Zeichen, nämlich das des ältesten Geschaumeisters, noch daneben ein Jahr in Gebrauch bleibt. In der Praxis gab es außerdem durch Krankheit, Todesfall oder Vertretung der Geschaumeister wiederholt einen langsameren Wechsel als durch die jährlich wechselnden BZ mit Buchstaben vorgesehen .

Journal des Luxus und der Moden

Der Entwurf dieses Leuchters wird in der Februar Ausgabe des Jahres 1808 im Journal des Luxus und der Moden unter dem Titel ‚Silber-Service von neuester Form’ vorgestellt und auf einer Kupfertafel zusammen mit einer Saucière und einem Plat de menage abgebildet. In der Einleitung heißt es: „Der geschickte Hof-Juwelier Herr Seethaler in Augsburg war so gütig, uns mit geschmackvollen Zeichnungen eines neuen Silber-Service für unser Journal des Luxus und der Moden zu beschenken, die wir unsern Lesern auf Tafel 5,6 und 7 in sauberen Contouren mittheilen.“

Zur weiteren Erläuterung wird dann das Schreiben Seethalers vom 10. November 1807 abgedruckt, in dem er angibt: Es sind die getreuen Ideen der vorzüglichen Piecen eines vollständigen Service von 40 Couverts, welche wir für Sr. Majestät, den König von Baiern, zu verfertigen beauftragt sind. Ihro Maj. Die Königin Caroline, eine große Freundin des guten Geschmacks, und selbst kunstvolle Zeichnerin, wählte diese Dessins unter den vielen von uns vorgelegten Ideen. Dieses Service ist nun beinahe ganz vollendet, und wird von jedem Freund und Kenner der Kunst mit schmeichelhaftem Beifall beehrt.

Die Münchener Silberkammer um 18001

Als Kurfürst Maximilian IV. Joseph die Regierung von Kur-Pfalzbayern im Jahre 1799 übernahm, hinterließ sein Vorgänger Kurfürst Karl Theodor ihm leere Staatskassen und hohe Schulden. Zudem war das linksrheinische Bayern im Besitz Frankreichs und das rechtsrheinische Bayern zum Teil von Österreich besetzt. So entschied sich der Kurfürst in der Not 1799 in einem Erlaß: „Wir haben aus Liebe zum allgemeinen Besten und Unseres Stammhauses Vaterland gnädigst beschlossen, in dem gegenwärtig höchst dringenden Bedürfnisse der Mobilmachung Unserer Truppen einen Teil Unseres Hof- und Tafelsilbers aufzuopfern und Uns sonach gleichwohl desto mehreren Porzellans zu bedienen. Wir befehlen also Unserm Oberst-Hofmarschall mit Anhandmachung des Oberst Silberkämmerers einen Teil von besagtem hie und da doch entbehrlichen Silbers von etwas 25 bis 30,000 fl. Auszusuchen und in Unserer Münze gegen Quittung abzugeben“.

Wie aus einem Memorandum vom 4. Mai 1803 weiterhin hervorgeht, musste während dieser kriegerischen Epoche nahezu die Hälfte der vorhanden gewesenen Silberbestände eingeschmolzen und ausgemünzt werden.

Bayern wurde 1806 unter dem Minister Maximilian Graf von Montgelas auch zum führenden Mitglied im Rheinbund und Bündnispartner von Napoleon. Für seine Bündnistreue wurde Bayern durch den französischen Kaiser im Frieden von Pressburg zum Königreich aufgewertet und Max Joseph am 1. Januar 1806 in München als Maximilian I. Joseph zum ersten König Bayerns erhoben. Die Pracht der Pariser Hofhaltung blieb nicht ohne Einfluss auf die Entschlüsse des Königs in Bezug auf Neuanschaffungen. „Um die Silberkammer wieder in den gehörigen Glanz zu setzen“ lautet eine Stelle in dem königlichen Erlaß vom 3. Juli 1806, durch welchen bei dem fürstlich Öttingisch-Wallersteinschen Hofjuwelier Seethaler und Sohn in Augsburg ein neues modernes Tafelservice gegen Darangabe von älterem Silber bestellt wurde.

Es ist dieser bedeutende Auftrag, der im Journal des Luxus und der Moden im Februar 1808 vorgestellt wird und einige herausragende Teile davon auf drei Kupfertafeln illustriert worden sind. Dazu gehört unter anderem eine Terrine mit Untersatz, die sich noch heute in der Silberkammer der Münchener Residenz befindet, sowie das hier angeboten Paar Girandolen.

Johann Alois Seethaler2

Johann Alois Seethaler ist der letzte große Name in der Geschichte der Augsburger Goldschmiedekunst. Als Goldschmied, Fabrikant und Händler überführte er Herstellung und Verkauf der Silberwaren in den weitgespannten Rahmen einer auf zahlreichen Kräften beruhenden Produktion wie eines auf verschiedene Filialen sich stützenden Vertriebs.

1775 wurde Johann Alois Seethaler in Augsburg als Sohn des Goldschmieds Joseph Anton Seethaler geboren. Nach Anfertigung des Meisterstücks erlangte er 1796 die Meisterwürde. Um 1803/04 erfolgte die Gründung einer Silberhandlung in Augsburg. 1806/07 erhielt die Handlung den Namen ‚Seethaler und Sohn’. Offensichtlich war – wie auch die Handschriften und Signaturen auf den Papieren der Firma bestätigen – der Sohn schon früh die treibende Kraft. Kontakte zu den Standesherren hatte bereits der Vater geknüpft; das erweisen Lieferungen an den Darmstädter und den Wallersteiner Hof, der 1795 Joseph Anton Seethaler den Titel eines Fürstlich-Oettingen-Wallerstein’schen Hofgoldschmieds verlieh. 1808 erfolgte die – zunächst wohl ebenfalls für Joseph Anton geltende – Ernennung zum Königlich-Bayerischen Hofjuwelier, die zweifellos mit der Bestellung eine weißsilbernen Tafelservice für den Münchener Hof (1807-1809) im Zusammenhang stand.

Gerade die engen Beziehungen zur Residenzstadt München und deren Hof führten bald zu heftigen Kontroversen mit den Münchener Goldschmieden, die sich benachteiligt fühlten. So protestierten sie bereits 1807 dagegen, dass das gesamte Silberservice Max I. Josephs bei einem Augsburger Goldschmied in Auftrag gegeben wurde. Nach weiteren Beschwerden im Jahr 1809 bestritten sie 1813 Seethaler erneut das Recht, in München ein Warenlager zu halten, das der Kaufmann Johann Michael Auracher als Kommissionär betrieb. Gegen Seethaler wurde – ganz zu Unrecht – das Argument in Feld geführt, er habe kein Meisterstück verfertigt und die Goldschmiedegerechtigkeit nur ‚erschlichen’. Der in großem Maßstab produzierende Goldschmied und Händler Seethaler fürchtete nun zu Recht um den raschen Absatz seiner Silberwaren; denn im Jahr 1812 beschäftigte er 42 Silberarbeiter, bezog aus dem Ausland Rohmaterial im Wert von 82 000 Gulden, verkaufte selbst Erzeugnisse im Wert von 70 000 Gulden im Ausland – d.h. außerhalb des Königreichs Bayern – und im Wert von 12 000 Gulden im Inland. So ging er zur Gegenoffensive über und beantragte am 29. Dezember 1813 bei der königlichen Polizeidirektion in Augsburg die Erteilung des förmlichen Fabrikprivilegs für die Silberhandlung ‚Seethaler und Sohn’. Das erbetene Fabrikprivileg sollte vor allem wohl den Vertrieb erleichtern: ‚zur Belebung der Nationalindustrie auf allerhöchsten Befehl Sr. Majestät’ erhielten ‚die Silberfabrikanten mit ihren über die Grenzen aus und ein passierenden Fabrikanten’ Zollbefreiung.

Die ausführliche Eingabe schildert detailliert das Vorgehen Seethalers. Das Silber wurde, entsprechend dem Umfang der Bestellung, einzelnen Arbeitern zugeteilt, die sich eng and die verbindlichen Angaben der Firma Seethaler und Sohn zu halten hatten. So ließen die Unternehmer oft auch an Hand einer Zeichnung ‚nach ihrer eigenen Erfindung’ durch einen eigens beschäftigten Modelleur jene Formen schneiden, die ‚dem Arbeiter als Normen dienen’. Die von den Arbeitern fertiggestellen Teile wurden der Firma zurückgegeben, sodann vom Ziseleur mit entsprechendem Dekor versehen und anschließend wieder von den betreffenden Arbeitern zu einem Ganzen zusammengesetzt. Wesentliches Prinzip war hier die Arbeitsteilung: Seethaler und Sohn beschäftigten unter anderem Spezialisten für großformatige Gefäße wie Terrinen; für Kaffeekannen; für Tafelaufsätze (unter Hinzuziehung eines eigenen ‚Ausschneiders’ zum Durchbrechen der Einfassung); für glatte Arbeiten wie Schüsseln und Teller; für Tafelleuchter, Girandolen und Kandelaber; u.ä.

Seethaler und Sohn suchten die für sie tätigen Silberarbeiter häufiger auf und ließen erforderliche Änderungen sogleich vornehmen, damit das Stück ‚der von ihnen dazu gegebenen Zeichnung seinem Umfang nach entspricht’. Seethaler wie in der Eingabe ausdrücklich darauf hin, dass sich die Firma ‚im Besitze eines reichhaltigen Schatzes von Zeichnungen’ befand und auch zahlreiche Modelle aus Frankreich wie auch – vor Ausbruch des jüngsten Krieges (1812) – aus England, Italien und Wien bezog. Somit verfügte die Firma über vielfältige Vorlagen in gezeichneter wie in plastischer Form, welche die aktuellen Tendenzen an den großen Höfen und Zentren widerspiegelten und eine flexible Anpassung and die Wünsche der jeweiligen Auftraggeber ermöglichte.

Das Seethalersche Unternehmen, das nach Johann Alois Seethalers Darstellung in den Jahren 1806-1813 an seine Augsburger Arbeiter (ohne Berücksichtigung der ‚Dessinateurs, Modelleurs, Futteral-Arbeiter, Drechsler, Messerschmiede, Polierer, Ciseleurs’) 163 396 Gulden Lohn zahlte, war – wie die Eingabe schildert – in Art einer Fabrik oder Manufaktur (nach dem damaligen Wortverständnis) geführt. Seethaler und Sohn übergaben den Arbeitern, ‚obgleich ansässige Meister in Augsburg’, das in ihrem Eigentum stehende Material leihweise zur Bearbeitung, die nach Seethalers Zeichnung zu erfolgen hatte.

Offenkundig vereinten sich in Seethalers Unternehmen mehrere Aspekte. Durchaus in Augsburger Tradition fungierte Seethaler als Verleger, der die Aufträge – nach verbindlichen Zeichnungen und Modellen – an verschiedene ortsansässige Goldschmiedemeister verteilte, selbst über die Uniformität der Ausführung wachte und die Finanzierung übernahm. Im Unterschied zu dem Großteil der früheren Verleger aber war Seethaler selbst Goldschmied oder – wie es richtiger heißt – ‚Silberarbeiter’, der nicht nur die Entwürfe fertigte, sondern auch einen Teil der Produktion in eigene Hände nahm.

Johann Alois Seethalers Eingabe des Jahres 1813 schildert die Voraussetzungen und Gründe des geschäftlichen Erfolgs seiner Silberhandlung. Nachdem – gemäß der Tendenz zur Stärkung der bayerischen Industrie – König Max I. Joseph am 21. Januar 1814 das Fabrikprivileg erteilt hatte, führte Seethalers Konzept rasch zu weiterer Expansion, zumal es sich nunmehr um das einzige Unternehmen seiner Art in Augsburg handelte.

 

1 Auszüge und historische Quellen dieses Abschnittes sind dem Werk von Max Frankenburger, Die Silberkammer der Münchner Residenz, München 1923, Seite 26-28 entnommen.

2 Der folgende Abschnitt ist in Teilen dem ausführlichen Aufsatz von Lorenz Seelig, Johann Alois Seethaler – Goldschmied, Fabrikant und Händler, in: Aufbruch ins Industrie-Zeitalter, Aufsätze zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bayerns von 1750-1850, München 1985, entnommen.