Salontisch
Jean-Joseph Chapuis (1765-1864).
Brüssel, Um 1810-20
Amboina Maser auf Eiche furniert, Ebenholz, gebogenes Schichtholz; Bronze, feuervergoldet; weiße Marmorplatte; Messingrollen. Insgesamt sieben Schlagstempel an der Zarge und an den Leimholzelementen: ‚CHAPUIS’
Höhe: 73,5 cm
Durchmesser: 99,5 cm Inv. Nr.: 2062
Der kühne Bogen, in dem sich die Beine dieses Tisches aufschwingen, lässt jeden Betrachter nähertreten. Wie ist es möglich, die schwere Marmorplatte so zu stützen, als würde sie schweben? Durch die vergoldeten Widderköpfe akzentuiert, schwingt die Kurve der drei Stützen Richtung Tischmitte, um dann in einem immer enger werdenden Radius auszukragen bis zu einer kleinen Volute, auf der die Platte elegant aufliegt. Von nahem fällt sofort die streifige Struktur der Tischbeinkanten ins Auge. Chapuis nutzt bewusst den Kontrast von hellem und dunklem Holz zur Betonung der Linienführung der Tischbeine. Diese Streifen liefern die technische Erklärung für die kühne Gestaltung des Möbels. Es handelt sich um gebogenes Schichtholz. Millimeterdünne Furnierplatten werden aufeinander geleimt, in diesem Fall sind es siebzehn Lagen. Der Faserverlauf der Platten liegt im rechten Winkel zueinander, dadurch wird das Holz stabiler. Die Kunst besteht nun darin, das Schichtholz zu biegen, ohne dass die Leimung sich wieder löst.
Mit dem Entwurf dieses Guéridons und der ambitionierten Umsetzung der langgezogenen Bogenform in Massivholz, bei größtmöglicher Feingliedrigkeit der Tischbeine, begibt sich Chapuis in den Grenzbereich der Statik. Die Bandbreite der ästhetischen Möglichkeiten gebogener Hölzer wird für ihn zur Herausforderung; was folgt, ist ein Entwicklungsschritt von epochaler Bedeutung: Chapuis ist einer der ersten Kunsttischler, der die Schichtverleimung erfolgreich anwendet.
Im beginnenden 19. Jahrhundert mußte man bahnbrechende Erfindungen gut schützen, um nicht sofort kopiert zu werden. Ob er ein Patent anmeldete, ist bisher nicht erwiesen. Unser Tisch zeigt, daß Chapuis sich gegen Nachahmer absicherte, indem er seine Marke mehrfach – in unserem Beispiel sieben Mal – am Möbel platzierte. Jedes Bauteil ist eigens markiert, insbesondere jedes der geschwungenen Beine trägt seinen Namen. Jean-Joseph Chapuis hatte allen Grund, auf seine Erfindung stolz zu sein. Jahre später mühte sich Michael Thonet erfolglos mit dem Biegen von Schichtholz ab, um sich dann dem einfacheren Bugholz – dem Biegen massiver Buchenholzstäbe über Dampf – zuzuwenden. Die eigentliche Erfolgsgeschichte von gebogenem Schichtholz beginnt aber erst in den 1930er Jahren mit Alvar Aalto. Sie hält bis heute an, modernes Möbel-Design ist ohne diese Technik nicht vorstellbar.