Pendule „à l‘Obelisque“

Joseph Mignolet (Maître Horloger 1786)

Paris, um 1795-1800

Grauer Marmor (bleu turquin), Bronzeapplikationen, gegossen, ziseliert und feuervergoldet. Weißes Emailzifferblatt, signiert in violett: ‚Mignolet à Paris‘

Höhe: 59 cm
Breite: 22,5 cm
Tiefe: 17 cm Inv. Nr.: 3485

Joseph Mignolet or Mignonet errang den Meistertitel (Maître Horloger) 1786 und eröffnete seine erste Werkstatt in der Rue Saint-Honoré in Paris. Zu seinen geschätzten Kunden zählten der Herzog von Richelieu und der Marquis de Mirabeau. Mignolet fertigte auch das Uhrwerk für eine Vasenuhr aus chinesischem Porzellan mit Zifferblatt des großen Emaillierers Joseph Coteau (1740-1801), die zu einer Garnitur von sechs weiteren Vasen gehörte, von denen eine an den Grafen de Lamarck für seine Residenz im Hôtel de Charost geliefert wurde.

Beschreibung:

Eine rechteckige Basis auf vier tellerförmigen Bronzefüßen wird an den vier Eckpunkten begrenzt von profilierten, nach oben verjüngten Pollern, die durch eine umlaufende Kette miteinander verbunden sind und so den Obelisken umschließen. Die Gesamtkomposition ist gleichsam ein Denkmal en miniature und erinnert an Monumente, wie sie seit der Antike, insbesondere in Ägypten auf öffentlichen Plätzen errichtet wurden, um an heroische Siege oder berühmte Ereignisse zu erinnern.

Der Obelisk auf vier tellerförmigen Bronzefüßen, schließt unten mit einer rechteckigen, profilierten Plinthe, die auf allen drei Schauseiten mit eingetieften Rechteckfeldern und eingelassenen, vergoldeten Blattranken verziert ist. Den oberen Abschluss bildet ein profilierter Marmorgiebel, bekrönt von einer Armillarsphäre . Unten wird die Lünette von einer Tuchdraperie begleitet, die in der Mitte freiplastisch über den Sockel fällt und die Rücken der antithetisch ausgerichteten Löwen bedeckt.

Das zylindrische Uhrwerk wird bekrönt von einem eingelassenen Basrelief. Dieses zeigt wohl ein Bündnis zwischen Athena, am Boden sitzend, einer Augurin mit dem Krummstab und Rhea mit dem Herrscherstab. Wie bei einer Prophezeiung üblich geht es um die Zukunft: hier deutet die im Rauch schwebende Krone über der Pyramide wohl die Geburt eines neuen Königs an. Diese Reliefdarstellung ist äußerst selten und nur wenige Vergleichsstücke sind bisher der Forschung bekannt.

Werk: 

Das weiße Emailzizifferblatt trägt die Signatur Mignolet à Paris und wird von einem gewölbten, originalem Glass in einer Lünette mit Perlreif geschützt. Das Zifferblatt mit arbischen Stundenziffern und einem Ring von Minutenpunkten. Fein gesägte, originale, gebläute Stunden- und Mintutenzeiger in Louis XVI Form. Rundes Metallwerk von herausragender Qualität – fast alle Stahlteile sind schwarz poliert (!). 14-Tage-Werk, Halbstundenschlag, Fadenaufhängung.

Ägyptomanie im späten 18. Jahrhundert:

Die Faszination für das Alte Ägypten erreichte im späten 18. Jahrhundert in Europa, insbesondere in Frankreich, einen Höhepunkt. Angetrieben durch wissenschaftliche Entdeckungen, Napoleons Ägyptenfeldzug (1798–1801) und das wachsende Interesse am Exotismus, fand sich ägyptische Ornamentik und Motive in zahlreichen kunsthandwerklichen Arbeiten wieder. Bereits zuvor hatten Reisende und Gelehrte, darunter Jean-François Champollion und Vivant Denon, das europäische Publikum mit Berichten über die Monumente und Artefakte des Nillandes begeistert.

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für diesen ägyptischen Einfluss in der dekorativen Kunst ist diese Pendule in Form eines Obelisken. Sie stellte eine Synthese von Uhrmacherkunst und symbolhafter Gestaltung dar: Die Wahl des Obelisken als Form für eine Uhr zeugt von einem bewussten Rückgriff auf ägyptische Architektur und deren Bedeutung als Zeichen von Ewigkeit. Obelisken waren im alten Ägypten außerdem königliche Monumente und wurden später als Symbole imperialer Macht von Herrschern Europas adaptiert. Eine Pendule in dieser Form konnte als Demonstration von Bildung und kultureller Raffinesse dienen.

Die Verbindung von Zeitmessung und der ikonischen Form des Obelisken verdeutlicht, wie europäische Kunstschaffende nicht nur stilistische, sondern auch inhaltliche Inspiration aus dem Alten Ägypten bezogen.

Provenienz:

Alte Privatsammlung Erik Le Caruyer De Beauvais (1938- 2015)

Literatur:

  • Ausstellung 1994, Paris, Musée du Louvre: Egyptomania, Egypt in Western Art, 1730-1930, mit Abbildung eines direkten Vergleichsbeispiels: 61.
  • Alcouffe, Daniel, Les bronzes d’ameublement du Louvre, Dijon, 2004. Vgl. Nr. 107, Seite 212.
  • Kjellberg, Pierre, La Pendule Française du Moyen Age au XXe siècle, Paris 1997; S. 217ff. (Abb. analoger Pendulen).
  • Niehüser, Elke, Die französische Bronzeuhr Von Göttern, Helden, Edlen Wilden. Eine Typologie der figürlichen Darstellungen, München 1997
  • Tardy, Les Plus Belles Pendules Françaises, dans le monde, Paris 1975, II, S. 60 (mit Abb. der Pendule aus der Sammlung des Musée du Louvre)
  • Volkmann, Ludwig, Ägypten-Romantik in der europäischen Kunst, Leipzig, 1942.